Montag, 17. September 2007
Djingolesia
Einladungen zum Brunch ab sofort verboten!
Ab und wann werde ich zu einem Brunch eingeladen. Ich freue mich nie darüber. Und ich glaube, die anderen Eingeladenen auch nicht alle. Deshalb verbiete ich Brunch-Einladungen im Königreich Djingolesien.

Dies hat mehrere Gründe:
Brunchs finden am Morgen statt, sonst wären sie ja keine Brunchs. Auch wenn es heisst „wir machen einen späten Brunch am Sonntag, nämlich ab 11.00 Uhr“, so ist das für mich viel zu früh. Vor allem am Sonntag. Da Brunchs ja nie „Komm-mal-einfach-so-vorbei-es-ist-alles-unkompliziert“-Einladungen sind, geht Prinzessin Liza III. ja auch nicht underdressed an einen Brunch. D.h. die ganze Stylerei geht schon am Morgen los. Also muss man noch früher aufstehen, was mir gar nicht behagt, weil davor ja Samstagabend war und ich da meist sehr sehr sehr spät ins Bett komme.
(Falls jetzt jemand auf die Idee kommen sollte, mir zu sagen, stylen müsse man sich ja nicht, so wissen Sie nicht, von wem ich zum Brunch eingeladen werde.)

Und so beginnt der Stress schon am Morgen, denn das Tenue will ja ein anderes sein, als das abendliche. Eher casual sportlich meist. Ich ziehe NIE casual sportliche Kleidung an. (Da hatte ich ja so eine Diskussion über die Bedeutung von „casual sportlich“ letzthin in der Matahari-Bar ohne Erfolg auf eine exakte Definition; kein Wunder im Matahari.) Dasselbe gilt ja auch für die männlichen Brunch-Gäste, keiner kommt gern mit der unausgeschlafenen Bierfahne von gestern Abend. Am Morgen ist mir auch gar nicht nach Make-up, eigentlich den ganzen Tag nicht. Aber da ich ja irre früh aufstehen muss, bin ich the lord of the augenrings. Am liebsten käme ich ja in Sonnenbrille ohne sie beim Essen ausziehen zu müssen, was wiederum verdächtige Blicke auf sich ziehen würde und schlicht unhöflich wäre.

Da die Einladenden immer mit einem gewissen Schock-Effekt betreffend Uhrzeit bei den Eingeladenen rechnen, sagen sie diplomatisch „ab“ xy.00 Uhr. Ich muss also nicht pünktlich dort ankommen, lasse den Wecker ein wenig durchklingeln, stehe später auf, eile nicht, rauche noch die eine oder andere Zigarette mit Kaffee daheim, etc. bis ich dann eine Stunde nach xy.00 Uhr eintreffe. Dann kommt gleich mein nächstes innerliches „Ach, neeeeee“, weil es keine Croissants mehr hat. Und auch keinen Zopf mehr. Der wurde ja von den Pünktlichen verspiesen. Der frisch gepresste Orangensaft ist alle, auch der Prosecco (zum Glück brachte ich immer einen gekühlten mit, bevor eben just die Brunchs verboten wurden).

Nicht, dass ich immer Croissants, Zopf und frisch gepressten Orangensaft zum Frühstück bräuchte (ich esse ja generell kein Frühstück – was noch erschwerend dazu kommt beim Brunchen), aber ich weiss, dass es welche hatte. Und da bekomme ich Lust und Appetit darauf. Und auch Hunger. Aber ist ja schon weg. Dann die Selbstvorwürfe, warum ich doch nicht pünktlich aufgestanden bin, wenn ich ja jetzt eh schon habe aufstehen müssen, etc.

Der Tisch ist auch eine Stunde nach xy.00 Uhr nicht mehr der wunderbare, liebevollst dekorierte, sondern nur noch die ausgeweidete Leiche davon. Ist immer so beim Brunchen. Wenn man beim Ausweiden mitmacht, dann bemerkt man das Unappetitliche gar nicht mehr, weil man ja sozusagen hineinwächst und den schön dekorierten Tisch ja noch in Erinnerung hat. Aber diese Erinnerung fehlt mir, wenn ich eine Stunde später eintreffe.

Man erkämpft sich dann einen Sitzplatz resp. den Platz, wo man seinen Teller auf den Tisch hinstellen kann, zwischen öligen Lachseinpackungen (weil der hübsche Lachs auf der hübschen Servierplatte eben grad ausgegangen ist und ein anderer Gast schnell einen neuen in der Küche holte und den ganz locker improvisiert irgendwie aufdeckt), dutzenden kleinen Schälchen für Confiture, Honig, Butterflöckchen, Meerrettich-Mousse, Joghurt, Haferflocken, Kleie, die aber alle mittlerweile durchmischt sind und nicht mehr gerade das Auge anmachen mitzuessen, und den nicht mehr gebrauchten Tellern der anderen, die womöglich noch von ein paar Zigarettenkippen geziert werden, weil es zuwenig Aschenbecher hatte, da die Hälfte der Gäste nach dem Wechsel vom salzigen Beginner zum süssen Mittelpunkt des Brunches noch eins geraucht haben (ich tue das ja auch gern) und es aber noch keine Aschenbecher gab, weil die Gastgeber diese Gewohnheit nicht haben.

Die Gäste sind meist besonders spassig, was erfreulich aber nicht erstaunlich ist, nach dem Prosecco so früh am Morgen. Also wird der Brunch eine längere Angelegenheit. Man isst/trinkt und isst/trinkt und isst/trinkt immer wieder, bis es später Nachmittag ist und der eine sagt: „Hey, gehen wir alle noch gemeinsam nach …“ Alle finden die Idee zwar lässig, aber man ist ja casual sportlich und nicht in der Abendgarderobe. Ist dann aber meist egal, weil der alkoholische Pegel seine Wirkung tut.

Spät Sonntagabend falle ich dann ins Bett, völlig übermüdet vom frühen Aufstehen. Ich habe dann die Frage auf den Lippen, warum wir die ganze Bruncherei nicht einfach am frühen Abend hätten beginnen können und bete, dass es morgen doch bitte, bitte, bitte wieder Freitag sein soll.

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