Montag, 2. März 2009
Djingolesische Bibliothek
Der erste Satz eines Buches sagt alles.
Satz, Punkt, Sieg. Oder Niederlage. Die erste Seite eines Buches sagt alles.
13.02.2009 von Max Küng


Ein Buch landete auf meinem Tisch: Das ist kein guter Satz, aber einer, den Journalisten jeden Tag schreiben können. «Ein Buch landete auf meinem Tisch.» Denn jeden Tag landen Bücher auf den Tischen. Die Journalisten sollen dann darüber schreiben. Dass es vor allem Bücher sind, die nicht so gut sind, das hat natürlich einen Grund. Gute Bücher sind sehr, sehr selten. Und auch: Schlechte Bücher verkaufen sich oft besser, als gute Bücher es tun.
Heute landete ein Buch auf meinem Tisch, es heisst «Ghost Hunter – Das Licht, das tötet». Geschrieben hat es ein Derek Meister. Zum Buch gab es ein Schreiben eines Verlages, von dem ich nie gehört hatte. Dort stand fett, wer der Autor war, nämlich: «Der Tarantino der Literatur».
Also schlug ich «Ghost Hunter» auf. Der erste Satz geht so: «Das Loch im Zaun führte in eine andere Welt.»
Also schlug ich das Buch wieder zu.
Vor einem guten Jahr kürte die «Initiative Deutsche Sprache» gemeinsam mit der «Stiftung Lesen» nicht die doofsten Namen von Initiativen und Stiftungen, sondern die schönsten ersten Sätze aller deutschsprachigen Romane aller Zeiten.
Es gewann Günter Grass’ «Butt», respektive dessen erster Satz: «Ilsebill salzte nach.» Dieser erste Satz gefiel der Jury noch besser als: «Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt.» Kafka kam nur auf Platz zwei, aber immerhin vor Siegfried Lenz’ «Hamilkar Schass, mein Grossvater, ein Herrchen von, sagen wir mal, einundsiebzig Jahren, hatte sich gerade das Lesen beigebracht, als die Sache losging.» Letzterer erster Satz stammt aus «Der Leseteufel».
Gute Sätze. Da kann man nicht viel dagegen haben. Ausser gegen den Siegersatz. Ich würde niemals ein Buch lesen, das mit «Ilsebill salzte nach» beginnt. Fast eher noch eines, welches mit «Das Loch im Zaun führte in eine andere Welt» anfängt.
Ein Kollege von mir behauptet, man könne anhand des ersten Satzes die Qualität des ganzen Buches überprüfen. Der Titel reicht manchmal auch schon: «Ghost Hunter – Das Licht, das tötet». Der Rest ist zuklappen.

Ich kann da bloss zustimmen.

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Okay, also ich finde noch einiges mehr, was arg trashig klingt.

Der Buchtitel selbst geht ja schonmal gar nicht. Aber davon darf man sich ja heutzutage nicht mehr abschrecken lassen, wenn großen Hollywoodstudios schon nichts besseres einfällt, als Vormittage nicht sterben zu lassen - und bei Büchertitel überschlägt sich die Kreativität meiste nochmal um Längen.
Dann aber der Name des Autors an - Derek Meister - wer sucht sich denn solch ein Pseudonym aus?
Und das Schreiben des Verlags bestätigt das natürlich. Wer sich selbst noch keinen Namen gemacht hat, kriegt halt einen fremden verpaßt. Und Tarantino klingt doch immer gut. Der Tarantino der Literatur, der Tarantino des Kochfernsehens, oder sind wir nicht alle der Meinung, daß es noch viel zu wenige Tarantino's auf dieser Welt gibt? Das Deppenapostroph im vorigen Satz war übrigens beachbsichtigt...

Dagegen ist der erste Satz schon fast wieder Poesie ;o)

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