Donnerstag, 2. Oktober 2008
Djingolesische Bibliothek
Des Pudels Kern
In der Schule wird oftmals Goethe gelesen, leider in einem solch zarten Alter, wenn die Hormone verrückt spielen und die Muse, sich literarischen Texten zu widmen, eher eine geringe ist.
Dabei ist zum Beispiel Faust für mich einer der stärksten deutschsprachigen Texte, der sich lohnt, immer wieder zu lesen und zu hintersinnen. Klar, nicht so einfach zugänglich.

Wenn ich den ersten Dialog zwischen Faust und Mephisto laut für mich lese und mich bloss allein dem Textrhythmus hingebe, empfinde ich eine Hochachtung. Und wenn ich dazu noch den Witz, die Geschwindigkeit und den Tiefgang in mir zergehen lasse, dann fühle ich, dass die Literatur wirklich meine wahre Muse ist, der ich mich viel öfters widmen will.

Sie, geneigter Leser, sind herzlich dazu eingeladen, sich 7 Minuten der literarischen Muse zu gönnen und laut die Studierzimmerszene I sich selber vorzulesen. Es ist meine Lieblingsszene des Stücks! Der erste Dialog zwischen Faust (dem Gelehrten der alles an Wissen bereits kennt und nun im Mystischen seinen Wissensdurst stillen will und deshalb beginnt Wesen zu beschwören) und Mephisopheles (der verführende Teufel, der ihm bald einen Pakt anbieten wird).

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Es gibt ja auch einige geniale Umsetzungen dieser Szene, bei denen es einem den Rücken vor wohligem Grauen rauf und runter schaudert. Aber auch der Schluss von Faust I ist ein Hammer.
Wenn man mal die sabotierte Achterbahn der Leidenschaft, auf der Goethe die arme Margarete antreten lässt, genau betrachten würde, dann würde das Stück wohl ein Fall fürs Jugendschutzgesetz.

Der erwachsene Blick verrät vielleicht auch, das solch eine Achterbahn nicht einfach nur auf der Phantasie eines Dichters beruhen kann.

Zu Goethes Zeit waren die Zuschauer vielleicht daran gewöhnt, aus einigen dürren Szenentexten in ihrer Phantasie unschickliche Schicksale zu rekonstruieren. Heute würde Gretchens Absturz aus der bürgerlichen Welt (bei Sat1 um Viertel nach Acht) wohl in drei Extrafolgen breitgetreten und bis zum letzten delikaten Detail ausgekostet.

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Mit Deiner These gehe ich soweit einverstanden, insofern heute in einem SAT1-Dreiteiler dem Zuschauer tatsächlich jedes Detail in aufgezwungener Emotionalität unterlegt mit Geigenteppichen vorgekaut wird. Einige Verflimungen sind so derart vorgekaut, dass man nach einem Kinobesuch mit seiner Begleitung gar nichts mehr zu beredet oder interpretieren hat.
Doch gerade das "Dürre" sowohl an Texten als auch an Verfilmungen kann gerade eine "Reichhaltigkeit" beeinahlten, so dass der Leser resp. Zuschauer die halbvollen Gefässe, die präsentiert werden, mit eigenen Gedanken, Emotionen - kurz mit der eigenen Seele - füllen kann.

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